Der Morgen brach herein und gerade als die Sonne über die hohen Stadtmauern ragte, so bohrten sich die ersten Sonnenstrahlen durch die sperrigen Fenster der angehenden Soldatin und suchten sich ihren Weg durch die spaltenweise geöffneten Vorhänge, bis sie letztlich auf dem schlafenden Gesicht von Lena Oxford landeten. Sanft kitzelten sie über die Nase der blondhaarigen Göre und weckten sie somit aus ihren tiefen Träumen. "Nur noch ein wenig..." murmelte die aber nur mürrisch und wandte sich zur Seite, wobei sie stur ihr Kissen über ihren Kopf drückte. "Aufstehen! Raus aus den Federn!" riss eine vertraute Stimme sie erneut aus dem Schlummer, ehe es einige male an ihrer Tür klopfte. "Du willst doch nicht etwa an deinem ersten Tag schon zu spät kommen oder Schwesterchen?" erwiderte Henry besorgt und zog ihre Bettdecke beiseite. Ermüdet rieb Lena sich die Augen, streckte ihre Arme und Beine aus und gab ein lautes gähnen von sich. "Du bist echt ein hoffnungsloser Fall, hier ich hab deine Kleidung bereits zurechtgelegt. Aber du gewöhnst dich da besser nicht dran. Ab sofort bist du nämlich eine richtige Erwachsene also Benimm dich auch entsprechend" erläuterte er predigend und verließ nicht eher ihr Zimmer ohne sie noch auf die getrocknete Spucke auf ihrer Wange hinzuweisen. Errötet musterte Lena ihren Spiegel und wischte sich schnell mit einem Arm die Flecken vom Gesicht. "Idiot! Ich komm schon klar!" rief Lena ihm noch beschämt nach und begann schließlich mit ihrer täglichen Routine. "Warum benimmt der sich nur immer so als wäre er..." flüsterte sie leise zu sich selbst unterbrach dann aber ihre Worte, als ihre Erinnerungen an ihren verstorbenen Vater zurückkehrten, verdrängte diese aber relativ zügig und ließ sich beim Frühstück nichts anmerken. "Musst du das wirklich tun?" fragte Mutter Sorgen erfüllt und hüllte die Hände von Lena in ihre eigenen. "Ich meine du bist meine einzige Tochter, niemals hätte ich damit gerechnet, das gleich beide meiner Kinder in die Fußstapfen deines Vaters treten und dabei bist du noch so jung" entgegnete sie unruhig und vergoß einige Tränen. "Ist schon in Ordnung Mum, ich möchte der Menschheit eine Hilfe sein. Ich hab das Gefühl, wenn ich das nicht tue, dann war alles wofür Dad kämpfte und sein Leben ließ umsonst!" sprach Lena aus ihrer Seele und schüttelte Verständnis voll mit dem Kopf. Henry saß derweil die ganze Zeit über mit am Tisch und hörte sich wehmütig das Gespräch der beiden an, ergriff dann jedoch Partei indem er eine Hand auf Mutters Schulter legte und ihr beistand. "Versuch nicht ihren Mut zu schinden, ihr Entschluss steht fest. Es wird ihr dort draußen nicht helfen. Sei stattdessen ein wenig Stolz, sie wird großartiges vollbringen" redete er auf ihr Gewissen ein und sorgte für eine nachhaltig entspannte Atmosphäre. "Du hast recht, entschuldige Henry, du bist wirklich ein guter Junge" erwiderte ihre Mutter eingestehend und wischte sich ihre Tränen vom Gesicht. "Wir brechen dann jetzt auf!" entgegnete der große Bruder hinweisend und nach einem innigen Abschied verließen die Beiden das Familiengrundstück. "Warst du nicht mit diesem Bengel befreundet? Wie war noch gleich sein Name, Jean?" fragte Henry neugierig und zeigte auf den Herren der wohl von allen dort gerade am meisten Aufmerksamkeit erregte. Überrascht und sogleich gespannt und voller Vorfreude rannte Lena auf den Jungen zu, der mittlerweile um einiges gewachsen war und rannte ihn beinah bei dem Versuch ihn mit einer Umarmung zu begrüßen um.
Jean Kirschstein
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Thema: Re: Rekrutierung Di Jul 24, 2018 7:47 am
Nun war es soweit. Endlich konnte er dem Militär beitreten. Nicht, dass es unbedingt sein Leben für die Menschheit geben wollte, nein, vielmehr wollte er diese ganze Tortur auf sich nehmen, um später ein ruhiges und schönes Leben im inneren Distrikt verbringen zu können. Das war sein Traum, schon so lange. Und er war fest entschlossen, diesen zu verwirklichen. Natürlich war sich Jean durchaus bewusst, dass das nicht einfach werden würde, immerhin waren sie dann angehende Soldaten und als solche hatte man es wohl niemals leicht. Sie würden lernen, wie man Titanen tötete. Nicht, dass Jean jemals einen Titan gesehen hätte, ausser in irgendwelchen Büchern vielleicht. Nein, dieser Anblick blieb ihm glücklicherweise bisher erspart. Und er hoffte, dass das auch so bleiben würde. Er war nicht scharf drauf, sein Leben auf Spiel zu setzten, bei seinem Glück würde er bloss im Rachen eines dieser Ungeheuer landen. Allein die Vorstellung liess ihn leicht frösteln ... Ein weiterer Grund, gute Noten während der Zeit als Rekruten zu kriegen, denn nur die zehn Besten durften überhaupt der Militärpolizei beitreten. Es würde ein harter Kampf werden, soviel stand fest, aber Jean war kein Mensch, der schnell aufgab, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Und um ein ruiges Leben innerhalb von Mauer Sina geniessen zu können, war es wert, sich drei Jahre lang dafür den Arsch aufzureissen.
Jean war am heutigen Tag früh aufgestanden, hatte sich angezogen, gefrühstückt und sich ausgiebig mit seiner Mutter unterhalten. Diese erwähnte immer und immer wieder wie stolz sie doch auf ihren Jungen war und dass sie hoffte, dass er sie dennoch ab und an besuchen kam. Immerhin war es nicht weit weg, das Lager der Rekruten. Jean hatte mit den Augen gerollt, aber genickt. Er würde sie besuchen, er musste, ansonsten würde sie im besten Fall einfach selbst das Lager aufsuchen und IHN besuchen. Und das wollte Jean nicht. Unter keinen Umständen. Diese Peinlichkeit wollte er sich ersparen. Also war er dazu genötigt, seine Mutter in regelmässigen Abständen zu besuchen. Wie nervend! Und doch wusste er, er würde ihr damit eine Freude bereiten ... Irgendwie war es das doch auch wert. Vor sich her grinsend schritt Jean nun die gepflasterten Strassen Trosts entlang. Er war früh aufgebrochen, aber das war in Ordnung. Er wollte nicht zu spät kommen, das wäre mehr als peinlich! Immerhin zählte bereits der ersten Eindruck und er wollte unter die zehn Besten! Und was dann kam, kam unerwartet. Plötzlich rempelte ihn etwas von hinten an. Jean wurde nach vorne geworfen, ruderte mit den Armen und konnte gerade noch so die Balance finden. Er spürte Arme und als er über seine Schulter nach hinten blickte, sah er ein Gesicht, das ihm irgendwie bekannt vor kam ... Nur woher? "Bist du ausgerutscht oder was soll das hier werden?", fragte er während er in Gedanken dem Gesicht einen Namen zuzuordnen versuchte. Aber irgendwie wollte es ihm nicht einfallen ... Das Mädchen kam ihm aber so verdammt bekannt vor! Nur woher? In seinen Erinnerungen sah das Gesicht allerdings leicht anders aus. Etwas rundlicher, kindlicher ... Jünger. Und da kam es ihm in den Sinn. Jeans Augen weiteten sich. War das etwa ...?